… beschrieb zunächst die harten Fakten: Peripherisierung, Negative Entwicklungsspirale und No-Future-Stimmung waren die ersten Schlagworte. Diese sollten aber keinesfalls den fachlichen Austausch im Gründerzentrum StartblockB2 in Cottbus am 21.11.2024 bestimmen. In verschiedenen Referaten von WissenschaftlerInnen des Leibnitz-Institutes für Länderkunde e.V., der Hochschule Zittau/Görlitz und der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen kristallisierte sich heraus, dass es nicht zwingend nur das Wissen um positive Wirtschaftsindikatoren ist, welches die Menschen dazu bewegt in den ländlichen Raum zu ziehen oder gar nach Hause zurück zu kehren. Es sind die weichen Faktoren, die im Fokus stehen. Soziale Netzwerke sind von sehr hoher Bedeutung beim Thema Rückwanderung. Genauso wichtig stellten sich der Zugang zu Dienstleistungen, Wohnraum, Bildung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Möglichkeiten zur Freizeitbeschäftigung oder zum ehrenamtlichen Engagement heraus.
Betrachtet man nicht nur die Wanderung an sich, sondern auch die Bevölkerungsstruktur, dann ergibt sich das mittlerweile allseits bekannte grafische Wespentaillenbild. Die ältere Bevölkerung ist gut vertreten und auch bei den Kindern und Jugendlichen sieht es aktuell zumindest noch ganz gut aus. Aber die jungen Menschen zwischen 20 und 40 sind in verschwindend geringer Anzahl zu verzeichnen. Die wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigten auch noch einmal die bereits bekannte Erkenntnis, dass Mädchen und Frauen deutlich stärker gewillt sind, die Heimat mindestens für Ausbildung und erste Berufserfahrungen zu verlassen. Die Jungs und Männer können sich schon eher vorstellen, ihrer Heimat treu zu bleiben.
Nun haben sich die vortragenden WissenschaftlerInnen bewusst davon abgewandt, zu untersuchen, warum die Menschen gehen. Sie haben ihren Fokus daraufgelegt, zu erfragen, vor allem in Schulen in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen, was den jungen Menschen wichtig wäre, um zu bleiben. Dabei ergaben sich zum einen die bereits genannten Bindefaktoren, wie soziales Netzwerk, Familie oder Freizeitgestaltung. Zum anderen zeigte sich aber auch, dass die Kenntnis über attraktive Ausbildungsplatz- und Arbeitsplatzmöglichkeiten eine wesentliche Rolle spielen. Die Vortragenden stellten große Defizite in der Berufsorientierung im Schulalter fest. Die Jugendlichen fühlen sich überfordert von der Unübersichtlichkeit der Angebote.
Es zeigt sich: Die Menschen brauchen Bleibeperspektiven und die müssen ihnen bereits im Schulalter aufgezeigt werden, sodass sie bestenfalls für die Ausbildung in der Heimat bleiben. Andernfalls die Bindung so stark bleibt, dass sie nach Ausbildung und ersten Berufs- und Lebenserfahrungen gerne mit Kind und Kegel wieder zurück in die Heimat kommen.
„Bleiben ist ein Prozess und muss organisiert werden.“
Wie das geht, zeigen verschiedene Initiativen. Das Bundesnetzwerk der Rückkehrer- und Zuzugsakteure „Hüben & Drüben“ bringt Menschen zusammen, die zeigen wollen, was das Landleben für eine wunderbare Alternative gegenüber der aus den Nähten platzenden Großstädte ist. Weitere Initiativen, die sich an beiden Veranstaltungstagen vorgestellt haben, waren die Willkommensagentur „Guben tut gut“, die „Nestbau-Zentrale“ Mittelsachsen, die Spremberger Initiative „Heeme fehlste“ und „Boomtown Cottbus“. Vom Rückkehrertag zu Weihnachten, über Stammtische für Zugezogene bis hin zu Initiativen zum Probewohnen und Probearbeiten gab es viele interessante Ideen, die zeigen, wie eine Region sich für die Rückkehrwilligen engagiert, sowohl im Ehrenamt als auch im Hauptamt. Und auch die Wirtschaftsstandorte und Wirtschaftsförderungen spielen eine wesentliche Rolle beim Schaffen von Halte- und Bindefaktoren. Nicht nur Start-Ups oder etablierte Unternehmen profitieren. Die Gründerzentren und Hochschulen realisieren aktiv mit den Schulen für Schüler Informations- und Erlebnistage. Denn wenn die Schüler sehen, welche Möglichkeiten sich ihnen bereits in der Heimat bieten, wächst auch die Chance sie in der Heimat zu halten.
Die Veranstaltung „Kommen und Bleiben gestalten“ der DVS hat eindrucksvoll gezeigt, was ehrenamtliche Initiativen und Netzwerke in den ländlichen Regionen möglich machen können, um die jungen Menschen zum Bleiben, zum Zurückkommen oder gar zum Zuzug zu motivieren. Die Zeit, die Kosten und die Kraft, die diese Initiativen kosten, sind hier ganz eindeutig von Erfolg gekrönt.